Hygiene im Pflegealltag: Was Azubis unbedingt wissen müssen

Im medizinischen Bereich ist Hygiene nicht nur eine Frage der Ordnung – sie kann über Leben und Tod entscheiden. Für dich als Azubi in der Pflege gehören Hygienemaßnahmen zu den grundlegendsten Fertigkeiten, die du von Anfang an beherrschen solltest. In diesem Artikel erfährst du alles, was du über Hygiene im Pflegealltag wissen musst, um Patienten und dich selbst zu schützen.
Warum Hygiene in der Pflege lebensrettend ist
Bevor wir in die praktischen Details einsteigen, solltest du verstehen, warum Hygiene in deinem Beruf so entscheidend ist:
- Nosokomiale Infektionen: Etwa 400.000 bis 600.000 Patienten in Deutschland erleiden jährlich eine Krankenhausinfektion, etwa 10.000 bis 15.000 sterben daran – viele dieser Infektionen wären durch konsequente Hygiene vermeidbar.
- Multiresistente Erreger: MRSA, VRE und andere multiresistente Keime stellen eine wachsende Bedrohung dar, gegen die oft nur noch Hygiene hilft.
- Immungeschwächte Patienten: Viele deiner Patienten haben ein geschwächtes Immunsystem und sind besonders infektionsanfällig.
- Eigener Schutz: Auch du selbst musst dich vor Infektionen schützen, die du durch den Kontakt mit Patienten oder kontaminierten Materialien erleiden könntest.
Als Azubi wirst du bemerken: Hygiene zieht sich durch alle Bereiche deiner Ausbildung und deines späteren Berufslebens. Sie ist kein isoliertes Thema, sondern integraler Bestandteil jeder Pflegehandlung.
Die Händehygiene: Das absolute Fundament
Die wichtigste Einzelmaßnahme zur Infektionsprävention ist und bleibt die korrekte Händehygiene. Hier gilt:
Die 5 Momente der Händedesinfektion (WHO)
- VOR Patientenkontakt
- VOR aseptischen Tätigkeiten (z.B. Verbandwechsel, Injektionen)
- NACH Kontakt mit potenziell infektiösem Material (Blut, Exkreten, Sekreten)
- NACH Patientenkontakt
- NACH Kontakt mit der unmittelbaren Patientenumgebung (Bett, Nachttisch)
Die richtige Technik der Händedesinfektion
- Ausreichende Menge: Etwa 3-5 ml Händedesinfektionsmittel (2-3 Hübe aus dem Spender)
- Vollständige Benetzung: Alle Bereiche der Hände müssen benetzt werden
- Richtiges Einreiben: 30 Sekunden lang nach standardisiertem Schema (Handflächen, Handrücken, Fingerzwischenräume, Daumen, Fingerkuppen, Handgelenke)
- Einwirkzeit: Das Desinfektionsmittel muss vollständig eingetrocknet sein, bevor du weitermachst
Praxis-Tipp: Nutze die 30 Sekunden Einwirkzeit für einen kurzen mentalen Check: Was ist mein nächster Schritt? Was brauche ich dafür? So wird die Händedesinfektion zur wertvollen Mini-Pause im hektischen Pflegealltag.
Wann waschen, wann desinfizieren?
Ein häufiger Fehler von Azubis ist das unnötige Händewaschen vor oder nach der Desinfektion:
- Händewaschen: Nur bei sichtbarer Verschmutzung, vor Arbeitsbeginn, nach Toilettengang
- Händedesinfektion: In allen anderen Fällen und nach dem Händewaschen
- Wichtig: Händewaschen und Desinfizieren direkt nacheinander nur, wenn die Hände verschmutzt sind
Häufiges Händewaschen führt zu Hautschäden und verringert die Wirksamkeit der Desinfektion!
Persönliche Schutzausrüstung richtig einsetzen
Die persönliche Schutzausrüstung (PSA) ist deine zweite Verteidigungslinie. Dazu gehören:
Einmalhandschuhe
- Wann? Bei möglichem Kontakt mit Körperflüssigkeiten, Kontakt mit Schleimhäuten, nicht intakter Haut oder kontaminierten Gegenständen
- Wichtig: Handschuhe sind kein Ersatz für die Händedesinfektion! VOR dem Anziehen und NACH dem Ausziehen müssen die Hände desinfiziert werden
- Wechseln: Bei jedem Patienten und zwischen verschiedenen Tätigkeiten beim selben Patienten
Schutzkittel
- Wann? Bei Gefahr der Kontamination der Arbeitskleidung, bei Isolationsmaßnahmen
- Richtig anziehen: Vollständige Bedeckung der Arbeitskleidung, Rückenschluss
- Richtig ausziehen: Nach innen falten, um Kontamination zu vermeiden
Mund-Nasen-Schutz und FFP-Masken
- Chirurgischer Mund-Nasen-Schutz: Schützt vor Tröpfcheninfektion, vor allem zum Patientenschutz
- FFP2/FFP3-Masken: Zum Eigenschutz vor aerogenen Infektionen (z.B. Tuberkulose, in Pandemiezeiten)
- Sitz prüfen: Dichtheitsprüfung bei FFP-Masken durchführen
Schutzbrille/Gesichtsschutz
- Wann? Bei Spritzgefahr (z.B. Absaugung, bestimmte Wundversorgungen)
- Reinigung: Nach Gebrauch gemäß Herstellerangaben
Praxis-Tipp: Übe das korrekte An- und Ausziehen der PSA in ruhigen Momenten, damit du in Stresssituationen nicht ins Schleudern kommst. Die richtige Reihenfolge beim Ausziehen ist entscheidend, um Kontaminationen zu vermeiden: Handschuhe → Schutzbrille → Kittel → Maske (mit Händedesinfektion zwischen den Schritten).
Flächendesinfektion im Pflegealltag
Als Azubi bist du oft für die Flächendesinfektion verantwortlich. Beachte dabei:
Verschiedene Desinfektionsmittel und ihre Anwendungsbereiche
- Alkoholische Schnelldesinfektion: Für kleinere Flächen und Gegenstände mit geringer organischer Belastung
- Flächendesinfektionsmittel mit Aldehyden oder QAV: Für größere Flächen und bei speziellen Erregern
- Wichtig: Einwirkzeiten beachten! Diese sind je nach Mittel unterschiedlich
Die Wischdesinfektion richtig durchführen
- Schlaufenmethode: Wischbezug nach jedem Raumabschnitt wenden, für jeden Raum neuen Bezug
- Von oben nach unten, von sauber nach schmutzig
- S-förmige Wischbewegungen ohne mehrfaches Überfahren derselben Stelle
- Vollständige Benetzung der Fläche sicherstellen
Praxis-Tipp: Achte auf die tägliche und anlassbezogene Desinfektion von Handkontaktflächen (Türklinken, Rufanlagen, Bettgitter, Lichtschalter). Diese werden häufig vergessen, sind aber zentrale Übertragungswege für Infektionen.
Umgang mit Medizinprodukten
Der hygienisch korrekte Umgang mit Medizinprodukten ist ein weiterer wichtiger Bereich:
Einteilung nach Risikokategorien
- Unkritisch: Nur Kontakt mit intakter Haut (z.B. Stethoskop, Blutdruckmanschette)
- Semikritisch: Kontakt mit Schleimhaut oder krankhaft veränderter Haut (z.B. Endoskope, Spekula)
- Kritisch: Durchdringung von Haut oder Schleimhaut (z.B. chirurgische Instrumente, Katheter)
Aufbereitung von Mehrweginstrumenten
Als Azubi solltest du die grundlegenden Schritte kennen:
- Vorreinigung: Direkt nach Gebrauch grobe Verschmutzungen entfernen
- Reinigung: Manuelle oder maschinelle Reinigung
- Desinfektion: Chemisch oder thermisch
- Spülung und Trocknung
- Kontrolle und Pflege
- Verpackung und Sterilisation (bei kritischen Instrumenten)
- Dokumentation und Freigabe
Praxis-Tipp: Lerne die Aufbereitungsroutinen deiner Einrichtung kennen und frage im Zweifelsfall nach. Fehler bei der Instrumentenaufbereitung können schwerwiegende Folgen haben.
Infektionsschutz bei speziellen Patientengruppen
Bestimmte Patientengruppen erfordern besondere Hygienemaßnahmen:
Patienten mit multiresistenten Erregern (MRE)
- Einzelzimmer oder Kohortenisolierung
- Konsequente Barrieremaßnahmen (Handschuhe, Schutzkittel, ggf. Maske)
- Besondere Entsorgungswege für Abfälle und Wäsche
- Gezielte Flächendesinfektion
Immunsupprimierte Patienten
- Umgekehrte Isolation zum Schutz des Patienten
- Besonders strenge Händehygiene
- Vermeidung von Pflanzen, stehendem Wasser, bestimmten Nahrungsmitteln
- Besucherregelungen beachten
Praxis-Tipp: Die psychosoziale Betreuung isolierter Patienten darf nicht zu kurz kommen. Erkläre den Patienten und Angehörigen die Notwendigkeit der Maßnahmen und sorge für regelmäßigen Kontakt trotz Isolation.
Die häufigsten Hygienefehler als Azubi – und wie du sie vermeidest
Aus der Erfahrung von Praxisanleitern sieht man bei Azubis immer wieder dieselben Fehler:
- Zu kurze Einwirkzeit bei der Händedesinfektion → Lösung: Nutze die Zeit für einen mentalen Arbeitsablauf-Check
- Tragen von Schmuck, künstlichen Nägeln, Nagellack → Lösung: Konsequenter Verzicht während der Arbeitszeit
- Kontamination der PSA beim An- und Ausziehen → Lösung: Standardisierte Reihenfolge und Technik anwenden
- Handschuhe als falsches Sicherheitsgefühl → Lösung: Handschuhe regelmäßig wechseln, Händedesinfektion nicht vergessen
- Übertragung von Keimen durch Mobiltelefone → Lösung: Handynutzung auf Minimum reduzieren, regelmäßige Desinfektion
Praxis-Tipp: Hab keine Scheu, erfahrene Kollegen auf deren Hygienefehler hinzuweisen – tue dies aber immer unter vier Augen und sachlich. Ein respektvolles „Ich habe gelernt, dass…” kommt meist besser an als „Du machst das falsch!”.
Hygiene in der Prüfung: Darauf wird besonders geachtet
In der praktischen Prüfung wird deine Hygienekompetenz besonders kritisch beobachtet. Häufige Prüfungssituationen sind:
- Grundpflege mit korrekter Händehygiene
- Verbandwechsel mit aseptischer Technik
- Umgang mit Patienten unter Isolationsmaßnahmen
- Aufbereitung von Medizinprodukten
Prüfungs-Tipp: Kommentiere während der Prüfung deine Hygienemaßnahmen kurz („Jetzt desinfiziere ich mir die Hände, weil…”). So zeigst du nicht nur, dass du die Techniken beherrschst, sondern auch, dass du die Zusammenhänge verstanden hast.
Fazit: Hygiene als Lebenseinstellung entwickeln
Als Azubi in der Pflege solltest du Hygiene nicht als lästige Pflicht sehen, sondern als professionelle Kernkompetenz und persönliche Einstellung. Gute Hygiene schützt:
- deine Patienten
- dich selbst
- deine Angehörigen
- das Gesundheitssystem (durch Vermeidung teurer nosokomialer Infektionen)
Mit jedem Tag deiner Ausbildung wirst du sicherer im Umgang mit den Hygienestandards. Bleibe neugierig, hinterfrage Routinen und halte dich über aktuelle Entwicklungen auf dem Laufenden – Hygiene ist ein Bereich, der sich ständig weiterentwickelt.
Du möchtest dein Hygienewissen vertiefen und gezielt für die Prüfung üben? In unserem speziellen Fragenkatalog zur Hygiene in der Pflege findest du über 150 prüfungsrelevante Fragen mit ausführlichen Erklärungen und praktischen Handlungsanleitungen!

Admin Team
Autor bei MedizinLernenPlus mit Expertise im Bereich medizinischer Ausbildungsberufe.